„Die 20th Annual Conference of the Emerging Scholars Forum of the Association for Canadian Studies in German-Speaking Countries hat am 29. und 30. Juni 2023 am John-F.- Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin stattgefunden. Die interdisziplinäre Konferenz, bei der sowohl Studierende von Kanada- oder Nordamerika-Studien als auch Studierende der Politikwissenschaften und weitere Philosophiestudierende anwesend waren, hatte den Themenschwerpunkt CONTESTED CANADA: Navigating Past, Present and Future Sovereignities.
Bereits am ersten Konferenztag hatte ich die Gelegenheit, mit vielen jungen Forschenden zu sprechen, die aus allen Ländern angereist waren. Unter ihnen war sogar eine Person, die aus Toronto, Kanada, kam. Die Atmosphäre war insgesamt sehr angenehm, alle Teilnehmenden begegneten sich auf Augenhöhe, was einen angeregten Austausch ermöglichte.
An diesem Tag fanden zwei Panels statt: Im ersten ging es hauptsächlich um die #FreedomConvoy-Bewegung und im zweiten wurden die Perspektiven bezüglich Canadian Sovereignity und Settler Colonialsm thematisiert. Pro Panel gab es drei Sprecher*innen, die jeweils 15-minütige Präsentationen hielten. Im Anschluss daran blieb Zeit für Fragen aus dem Publikum und zum Schluss folgte eine Diskussion von meist 40 Minuten.
Am zweiten Tag ging es mit einem Panel los, in dem es um Indigenous Literature ging und darum, wie diese mit Indigenous Sovereignity zusammenhängt. Einer der vorgestellten Romane, Jonny Appleseed, war mir aus vorherigen Semestern selbst bekannt und es war besonders spannend, Aspekte dieses Romans zu beleuchten, die mir selbst bei meiner ersten Lektüre nicht primär bewusst gewesen waren.
Im nächsten Panel war ich die erste Vortragende. Vor meiner Präsentation war ich freudig aufgeregt, aber auch zuversichtlich, dass alles klappen würde. Mit Hilfe meiner Notizen berichtete ich in einem freien Vortrag von einem aktuellen Konflikt im Nordwesten Kanadas. Dort wird eine Pipeline durch Indigenes Territorium (Wet’suwet’en) gebaut, wogegen die betroffene Bevölkerung protestiert. Anschließend leitete ich in den theoretischen und philosophischen Teil über, in welchem ich darlegte, dass solchen Konflikten verschiedene Weltanschauungen zugrunde liegen. So sind westliche geprägte Erkenntnistheorien sehr unterschiedlich zu Indigenen Wissenssystemen.
Die Diskussion im Anschluss war sehr spannend und insgesamt bin ich zufrieden mit meiner Präsentation und dem positiven Feedback, das mir die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie das Organisationsteam und Herrn Professor Manuel Menrath, der Keynote Speaker der Konferenz, gegeben haben.
Ein besonderer Teil der Konferenz war der historische Überblick, den Professor Menrath und der per Zoom zugeschaltete Mike Metatawabin (Nishnawbe Aski Nation) zu den Treaty 9 präsentierten. Damals wurden sogenannte Treaties (=Verträge) zwischen den Siedlern und der Indigenen Bevölkerung geschlossen. Wie Prof. Menrath berichtete, wurden die darin aufgeführten Vereinbarungen dafür benutzt, die Indigene Bevölkerung in ihren Rechten einzuschränken. Oftmals gab es keine gute Übersetzung der Treaties und somit wussten die Indigenen Nationen nicht, was sie dort eigentlich unterzeichneten. Nach Professor Menraths Präsentation berichtete Mike Metatawabin aus eigener Erfahrung, wie sich Treaty 9 auf das Leben der First Nations ausgewirkt hat. Ebenso erzählte er von den Residential Schools, die es überall in Kanada gegeben hatte, um Indigene Kinder von ihren Familien zu trennen und sie an die westlich christliche Gesellschaft und deren Normen anzupassen. Die Kinder sind in diesen Schulen missbraucht worden, viele sind gestorben, die Überlebenden sind für immer gezeichnet und traumatisiert. Für die Organisatoren der Konferenz war es enorm wichtig, eine Person der First Nations in die Konferenz zu integrieren und auch unter allen Anwesenden konnte man die Dankbarkeit und den Respekt, den sie Metatawabin entgegenbrachten, spüren.
Dem „Kanadatag“ am 1. Juli begegne ich durch das Hintergrundwissen zur Kolonialzeit, das mir während meines Studiums, aber auch durch die Teilnahme an der Konferenz vermittelt wurde, mittlerweile etwas skeptischer. So war ich froh, dass wir diesen Tag nutzten, um mit einigen Konferenzteilnehmenden und dem Organisationsteam die Ausstellung Ts’uu – Cedar, Of Trees and People im Humboldt-Forum zu besuchen. In dieser Ausstellung ging es um Haida Gwaii, eine Inselgruppe im Pazifik, nordwestlich in Kanada, zugehörig zur Provinz British Columbia. Das Museum arbeitet eng mit Haida Gwaii people zusammen, demnach gab es auch einige Videos und Erzählungen direkt aus der Perspektive der Haida Gwaii Nation. Eine Teilnehmerin hat mir dazu einen treffenden Spruch gesagt: „Not about us without us.“ Das heißt: Wenn man sich mit Indigenen Völkern und ihrer Kultur beschäftigt, sollte man stets Indigene Völker integrieren. Das ist nicht nur wichtig, richtig, und respektvoll, sondern unterstützt Indigene Nationen dabei, gegen die kolonialen Unterdrückungsmechanismen anzukämpfen, gibt ihnen eine Stimme und einen Raum, um ihre Geschichte zu erzählen.
Insgesamt fühle ich mich durch die Konferenz sehr inspiriert: Der Austausch mit anderen Akademiker*innen in diesem Forschungsbereich war äußerst bereichernd und ich habe viele neue Einblicke, Anregungen und Denkanstöße bekommen, die ich beherzigen und auch in meine Masterarbeit integrieren werde.
Ich bin sehr dankbar, dass die Bonner Universitätsstiftung mich mit einem Reisekostenstipendium finanziell unterstützt hat, sodass es mir ermöglicht wurde, nach Berlin zu reisen und an dieser wundervollen Konferenz teilzunehmen."
Ein Bericht von Laura Michler