Im Mai dieses Jahres hatten zehn Studierende der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn die Gelegenheit, an der Europäischen Agroforst Konferenz (EURAF) in Nuoro auf Sardinien teilzunehmen. Etwa 260 Teilnehmende aus Forschung, Praxis und Politik fanden sich in Nuoro zusammen, um sich über neue Erkenntnisse und Projekte zu Agroforstsystemen in Europa und darüber hinaus auszutauschen.
Der Klimawandel und immer knapper werdende Ressourcen stellen die Landwirtschaft schon heute global ungleich verteilt vor enorme Herausforderungen. Um in Zukunft qualitativ hochwertige Lebensmittel in ausreichender Menge ressourcenschonend zu produzieren, muss die Landwirtschaft in Europa und weltweit neu bzw. nachhaltiger gedacht werden. Agrarräume sind als Ökosysteme zu betrachten. Innovative und zum Teil alt bekannte Ansätze, darunter die Agroforstwirtschaft, bieten das Potenzial, die Landnutzung in Europa langfristig effizient und ökologisch zu gestalten. Eine solche Transformation kann nur durch die Zusammenarbeit von landwirtschaftlicher Praxis und Theorie in allen Bereichen vom Anbau über Vermarktung, Bildungseinrichtungen und Politik gelingen. Da die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) eine gemeinsame Grundlage für die Landwirtschaftspolitik der einzelnen EU-Staaten darstellt, ist ein europaweiter Austausch im Feld der Landwirtschaft insbesondere auf politischer Ebene von besonderer Bedeutung.
Die gesamte Konferenzwoche hielt ein sehr diverses Vortragsprogramm mit etwa 30 Präsentationen pro Tag bereit, wobei sowohl ökologische als auch sozioökonomische Fragestellungen zum Thema Agroforstwirtschaft präsentiert und diskutiert wurden. Aus verschiedensten europäischen Ländern wurde berichtet, wie verbreitet traditionelle und neuartige Agroforstsysteme sind und welche Förderung diese auf nationaler Ebene erfahren. Interessant waren hierbei zum Beispiel Beiträge aus England, wo post Brexit zu klären ist, wie bei der Entwicklung einer von der EU losgelösten Landwirtschaftspolitik die Agroforstwirtschaft gefördert werden kann.
Viele Vorträge widmeten sich Fragestellungen der agroforstlichen Anbaupraxis. So thematisierten zwei Vorträge von Cory Whitney und Eike Lüdeling, Lehrende am INRES Bonn, die Integration von Hühnern im Obstbau als Alternative zu herkömmlichen Methoden der Beikrautregulierung. Auch Anna-Lea Ortmann, Mitglied der Studierendengruppe krit_land, konnte aktiv zum Diskurs beitragen, indem sie Teile ihrer Masterarbeit präsentierte, welche die Diversität und potentielle Schadwirkung der Begleitflora in Agroforstsystemen behandelt.
Nach vielen Vorträgen bot sich den Studierenden außerdem die Möglichkeit, an sogenannten “Study visits” teilzunehmen: Exkursionen, bei denen die Teilnehmenden sardische Praxisbeispiele des kombinierten Anbaus von Gehölzen und Ackerkulturen (silvoarable Agroforstsysteme) oder die Weidenutzung kombiniert mit der Produktion von Gehölzen (silvopastorale Agroforstsysteme) kennenlernen konnten. Im Westen der Insel lernten sie so auf diesem Wege die Rolle der für den Ackerbau unverzichtbaren Eukalyptushecken kennen. Allein durch deren windbrechende Wirkung wird ein intensives Landbausystem ermöglicht, das den Großteil des Rindfleischs und über 90% der Milchprodukte Sardiniens hervorbringt. Beeindruckt haben zudem die Korkeichen-Weidesysteme, welche für die traditionelle sardische Landnutzung typisch sind. Hier wird zumeist extensive Schäferei mit dem Anbau von Kork kombiniert. Ein Großteil des in Italien hergestellten Korks wird auf Sardinien geerntet. Zudem sind diese Kork-Weiden ökologisch wertvolle Halboffenlandschaften. Aufgrund des breiten Spektrums an ökologischen Nischen kommen hier viele verschiedene Tier- und Pflanzenarten vor.
„Wir bedanken uns herzlichst für die großzügige Unterstützung der Stiftung Zukunft Jetzt!, bei der Universitätsgesellschaft Bonn und der Arbeitsgruppe für Organischen Landbau, ohne diese unsere Reise so nicht möglich gewesen wäre. Wir freuen uns, dass wir Teil des aktuellen wissenschaftlichen Diskurses im Bereich der Agroforstwirtschaft sein durften.“, so die Studierenden der krit_land. Mit neuer Motivation zurück in Bonn möchten sie sich weiter mit dem vielfältigen Themenfeld der Agroforstwirtschaft beschäftigen und auf geknüpfte Verbindungen mit Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen aus Europa und der Welt aufbauen.
Die Stiftung Zukunft Jetzt! engagiert sich bereits seit 2020 für ein Forschungsprojekt an der Universität Bonn. Darüber hinaus unterstützt sie herausragende Studierende über das Deutschlandstipendium dabei, zukunftsweisende Forschungen auf dem Gebiet Naturschutz und Landschaftsökologie zu erarbeiten. Die Bonner Universitätsstiftung hat die studentische Gruppe krit_land bei der Antragsstellung unterstützt und die finanzielle Abwicklung begleitet. Auch unser Dank gilt der Stiftung Zukunft Jetzt! für dieses großzügige Engagement.