„Im November 2021 habe ich mit meiner Promotion in der Ernährungsphysiologie am Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften begonnen. Mein Promotionsthema ist der Energiestoffwechsel, genau genommen der Ruhe-Energieumsatz. Dieser lässt sich mit der Methode der indirekten Kalorimetrie erfassen, das heißt, dass der Ruhe-Energieumsatz anhand bestimmter Stoffwechselraten durch die Messung des eingeatmeten Sauerstoffs und des ausgeatmeten CO2s bestimmt werden kann. Dazu atmet die Versuchsperson für ca. 15 Minuten unter einer Haube und die Atemgase werden durch das Gerät abgesaugt und analysiert. In meiner Promotion untersuche ich verschiedene externe Einflussfaktoren auf diese Messung, wie beispielsweise die Umgebungstemperatur.
Mein Promotionsthema hat sich aus den Resultaten meiner Masterarbeit entwickelt. Diese habe ich am Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin, Abteilung Muskel- und Knochenstoffwechsel, am Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) in Köln über den Ruhe-Energieumsatz von Leichtathleten geschrieben, die 2018 an der Senioren-Leichtathletik Weltmeisterschaft in Malaga teilgenommen hatten. Die Möglichkeit ergab sich zufällig, weil dieser Datensatz noch zur Auswertung bereit lag. Allerdings konnte ich die Daten damals in Malaga nicht selbst erheben. Da das DLR aber Kooperationspartner meines Promotionsprojektes ist, wurde ich eingeladen, bei der Folgestudie (Track and Field Master-Athletics-Cohort, kurz: TaFMAC) vom 28. Juni bis zum 09. Juli 2022 in Tampere in Finnland mitzuhelfen.
Die TaFMAC-Studie umfasst verschiedene Untersuchungen zur physiologischen Gesundheit und zur sportlichen Leistungsfähigkeit von Master-Athleten in den kommenden 10 Jahren. Die Erhebung des Ruhe-Energieumsatzes ist eine dieser Messungen. Für mich war es die erste Dienstreise meines Lebens und ich durfte direkt den anstrengenden, aber interessanten Alltag mit all den kleinen und großen Herausforderungen der Durchführung einer Feldstudie erleben. Mein Ziel, nach dem Aufenthalt den Umgang mit den Messgeräten perfekt zu beherrschen, dürfte nach insgesamt 124 Messungen erfüllt sein.
In der zweiten Woche war ich aufgrund von Erkrankungen und spontanen Personalausfällen sogar alleine für die Messungen des Ruhe-Energieumsatzes verantwortlich. Ein bisschen stolz macht mich, dass ich die Geräte erstmals ganz alleine auf- und wieder abgebaut habe.
Da die Messung des Ruhe-Energieumsatzes nüchtern ausgeführt werden muss, hatte ich nachmittags Zeit, bei den anderen Stationen auszuhelfen. Meistens habe ich dann die Registrierung der Sportlerinnen und Sportler zur Studie durchgeführt oder beim Ausfüllen von Fragebögen mitgeholfen.
Die Tage bei Feldstudien sind ziemlich lang. Meine Arbeitszeit begann um 7.00 Uhr morgens und aufgehört habe ich dann, wenn abends keine Teilnehmenden mehr kamen, oft erst gegen 19.00 Uhr. Sogar an den Wochenenden haben wir durchgearbeitet.
Aber natürlich hat so eine Leichtathletik-Weltmeisterschaft auch menschlich und sportlich viel zu bieten! Besonders aufregend fand ich sämtliche Wettkämpfe der Ü80-Jährigen. Die älteste Studienteilnehmerin, die ich messen durfte, war 91 Jahre alt. Beeindruckend fand ich auch die Leistung eines 86-Jährigen Herren im Dreisprung, der in seinem Alltag seit dem Verlust seiner Ehefrau recht einsam ist. Trotz gesundheitlicher Probleme lebt er für die Leichtathletik und als er mit der Goldmedaille um den Hals das Siegertreppchen bestieg und bei der ihm zu Ehren gespielten Nationalhymne zu weinen begann, musste auch ich ein kleines Tränchen verdrücken. Besonders beeindruckt hat mich ein Ü70 Ehepaar, das aus Deutschland mit dem VW-Bulli zur WM angereist ist und im Auto im Wald übernachtet hat. Nachts im Wagen auf der Pritsche geschlafen und tagsüber Bronze im 100m Sprint geholt - die beiden nehme ich mir zum Vorbild für meine noch in weiter Zukunft liegende Rente. Und trotz all des Trubels habe ich noch Zeit gefunden, Tampere zu Fuß zu erkunden, ab und zu in den eisig kalten See zu springen und einen Abend einen klassischen finnischen Saunagang mitzuerleben.
Für all die Erlebnisse und Erfahrungen, die ich sammeln durfte, bin ich der Bonner Universitätsstiftung sehr dankbar, denn ohne die finanzielle Unterstützung hätte ich die Reise nicht antreten können. Während meiner Zeit in Finnland habe ich wunderbare Menschen kennen gelernt, die meinen Horizont sowohl beruflich als auch privat erweitert haben. Es ist toll, dass jungen Wissenschaftler*innen durch die finanziellen Mittel der Stiftung Möglichkeiten wie diese geboten werden. Vielen Dank dafür!“
Ein Bericht von Sara Henkel.